Jakobsweg 2010

 

Der Weg: Von Rothenburg o.d.T. nach Rottenburg/Neckar, ca. 200 km

Dauer: 10 Tage, plus jeweils 1 Tag An- und Abfahrt

 

Schon seit 2-3 Jahren geistert mir "der Jakobsweg" durch den Kopf. Wie es angefangen hat, weiß ich gar nicht mehr so genau, jedenfalls nicht, wie bei so vielen, durch das Buch von Hape Kerkeling:"Ich bin dann mal weg." Das Buch habe ich zwar auch gelesen, aber der Plan stand im Groben schon vorher fest.

Angedacht war, nach Eintritt in den Ruhestand auf dem Jakobsweg zu pilgern, und zwar auf d e m Weg, den fast alle meinen, den sogenannten "Camino Frances", der in Nordspanien von den Pyrenäen nach Santiago de Compostela führt und gut 800 km lang ist.

2009 sind wir mit dem Wohnmobil auf der Fahrt nach Portugal ja einen Großteil des Jakobsweges entlang gefahren, aber......

 

Wie pilgern ? Wann pilgern ? Warum pilgern ? - Nun, ich wollte eigentlich mit dem Rad - im Flieger huckepack - nach Spanien fliegen und den Weg abradeln. Gedacht hatte ich, dies schon dieses Jahr - 2010 - zu tun, aber:

Dieses ist ein sogenanntes "Heiliges Jahr", das bedeutet, es fällt der Todestag des Hl. Jakobus, der 25. Juli, auf einen Sonntag. Dies ist nur im Abstand von einigen Jahren der Fall und eben auch in diesem Jahr. Da zu befürchten war, dass sich die Zahl der Pilger auf dem nordspanischen Weg nahezu verdoppeln würde, fasste ich, sozusagen als Einstieg, ins Auge, einen der vielen deutschen Jakobswege zu gehen.

Ja, warum pilgern ? Ich habe eigentlich keine religiösen oder spirituellen Gründe dafür, eher wollte ich die Herausforderung spüren, die eine solche Wanderung mit 10 kg Gepäck auf dem Rücken bedeutet. Darüber hinaus wollte ich allein gehen, die schöne Landschaft und Ruhe genießen und zu mir kommen. Ich dachte auch, eine solche Wanderung könnte ein guter Einstieg in den neuen Lebensabschnitt sein. Und so entschloss ich mich, knapp 14 Tage auf dem Jakobsweg von Rothenburg o.d.T. nach Rottenburg/Necker zu pilgern, und zwar zu Fuß.

Der Weg ist ca. 200 km lang und in 10 Etappen aufgeteilt, die also immer so um die 20 km pro Tag lang sind.

Etliche Recherchen und Vorbereitungen nahm ich unter Hinzuziehung der Website www.occa.de vor.

Die genannte Seite ist jetzt anderweitig vergeben, Informationen können auf der Seite

www.jakobswege-nach-burgund.de eingeholt werden.

Wer interessiert ist, etwas über Jakobswege zu erfahren, sollte dort hineinsehen.

 

Konkrete Vorbereitungen für den Weg: Anschaffung entsprechender Ausrüstung, wie Rucksack, Trekkingstöcke, gute Trekkingschuhe, gute Funktionskleidung.

Häusliche Organisation: Meine Frau nahm 2 Wochen Urlaub, um mir das Pilgern zu ermöglichen. Buchung von Quartieren im Voraus.

 

Es geht los.

Am 18.09. 2010 bestieg ich in Lübeck den Zug und fuhr bis Rothenburg ob der Tauber, wo ich gegen 17.00 Uhr ankam. Vom Bahnhof zu meinem Quartier in der schönen Altstadt brauchte ich ca. 20 Minuten. Rucksack abladen, umziehen und erste Besichtigung der Stadt ( die ich allerdings von früher kannte).

Durch das Rödertor betrete ich die Altstadt von Rothenburg. Als ich zur Jakobskirche komme, lese ich, dass diese noch 30 Minuten geöffnet ist und morgen, am Sonntag, erst im Lauf des Vormittags wieder offen ist, also gehe ich hinein, um ein paar Minuten zu verweilen und mir sozusagen den Segen des Hl. Jakobus abzuholen. In der Kirche bekomme ich auch meinen ersten Pilgerstempel in mein Tagebuch.


Eine wunderschöne Kirche, im Altar der Hl. Jakobus ( der mit rotem Hut und Pilgerstab). Nach der geistigen Stärkung ist die körperliche dran, bestehend aus Hackbraten mit Spätzle und einem großen Radler.

Ich schaue mir dann noch den Weg an, der mich morgen aus der Stadt führen soll, nämlich durch das Burgtor und den Burggarten ins Taubertal.

 

1. Etappe Rothenburg o.d.T. - Schrozberg (19 km)

Gestern Abend bin ich mit Kopfschmerzen ins Bett gegangen, die die ganze Nacht anhalten und morgens immer noch nicht vorbei sind. Um 06.30 Uhr stehe ich auf, dusche und mache einen kurzen Gang in die Stadt, da bis zum Frühstück noch Zeit ist. Nach dem Morgenmahl breche ich um 08.20 Uhr bei strahlendem Spätsommerwetter auf. Die Stadt ist noch ruhig, nur einige wenige Touristen sind schon unterwegs, meistens Japaner oder Amerikaner. Ich gehe durch das Burgtor hinaus und wandere langsam ins Taubertal hinab. Von Beginn an ist der Jakobsweg mit der Muschel ausgeschildert.


Dieses Zeichen wird mich den gesamten Weg über führen. Es ist das Symbol des Pilgerns. Die einzelnen Strahlen sollen die verschiedenen Wege darstellen, die alle ein Ziel haben: Santiago de Compostela. Das Strahlenbündel zeigt immer in die Richtung, in welche der Weg führt.

Vom Taubergrund aus habe ich einen schönen Blick auf die Altstadt im Morgenlicht. Über die Tauberbrücke und dann ein leichter Anstieg im Wald. Es ist angenehm kühl, so dass ich nur mäßig ins Schwitzen gerate.Ich komme an die ehemalige Sprungschanze, von wo aus sich dieser schöne Blick auf die Stadt bietet.

Meine Kopfschmerzen sind verflogen. Über die weiten Felder wandere ich langsam und stetig voran, immer im Hintergrund Rothenburg mit der Jakobskirche.

Hinter dem Ort Enzenweiler mache ich die erste Pause. Ein Mann mit einem Bernersennhund spricht mich an, ob ich pilgere, woher ich komme und wohin ich gehe. Wir unterhalten uns eine Weile.

Der Weg führt weiter, längere Zeit durch einen Wald, wo wohl ein Pilger seine verschlissenen Wanderstiefel auf einem Baumstumpf deponiert hat und einen gelben Pfeil auf den Baum gemalt hat. (Solche gelben Pfeile weisen auf dem nord- spanischen Jakobsweg die Richtung.)

Sühnekreuz in Enzenweiler
Sühnekreuz in Enzenweiler
der Weiler Schöngras
der Weiler Schöngras

Kurz aus dem Wald heraus, jetzt bin ich schon wieder eine Weile unterwegs, ich setze mich am Waldrand auf den unteren Balken eines Hochsitzes - ich lasse es langsam angehen. Jetzt sind es noch 7 km bis Schrozberg, die ziehen sich aber. Ich merke, dass ich zu schnell gehe und öfter Pause machen muss, warum denn auch eilen ? An einem Baum einer Obstbaumwiese pflücke ich mir einen Apfel, der ist aber scheußlich sauer.

Gegen 14.00 Uhr komme ich an meiner Unterkunft in Schrozberg an, einem ehemaligen Krankenhaus, welches jetzt Gästehaus ist. Ich werde nett empfangen und bekomme ein Einzelzimmer mit Dusche und WC. Nach dem Duschen gehe ich in die Stadt, aber ich finde nur geschlossene Gaststätten, so dass der Magen weiter knurrt.

 

2. Etappe Schrozberg - Langenburg (21 km)

Auch in dieser Nacht wieder Kopfschmerzen, zweimal wache ich davon auf, gegen 03.00 Uhr nehme ich eine Tablette, schlafe aber erst spät wieder ein und bin morgens wie gerädert. Nach der Morgendusche geht es einigermaßen. Der Blick aus dem Fenster zeigt wieder einen strahlenden Morgen. Eine freundliche Servicekraft verwöhnt mich mit einem sehr guten Frühstück, vor allem mit starkem Kaffee. Jetzt bin ich richtig wach. Ich nehme mir einen Apfel und ein Brötchen für unterwegs mit. Heute lasse ich es langsamer angehen, ich habe für die Strecke ja den ganzen Tag Zeit und es ist erst 08.15 Uhr.

In Schrozberg gehe ich zur Kirche. Mir ist bei meinem Rundgang gestern eine Pilger-Skulptur vor der Kirche aufgefallen, davor im Boden eine wunderschöne Jakobsmuschel. (siehe Berichtanfang)


Es geht langsam aus der Stadt heraus, am Bahnhof vorbei, auf einen noch taunassen Grasweg. Gut, dass meine Schuhe wasserdicht sind. Beim Gehen werfe ich einen Schatten, eine gute Gelegenheit, den Pilger abzulichten.

So wandere ich etwa 2 Stunden dahin, bis ich ins Dörfchen Erpfersweiler komme. Ich brauche eine Pause und setze mich ins Gras an einen Apfelbaum. Wie ich da so sitze, entdecke ich in 100 m durch die Büsche eine Bank, das ist doch besser, als im Gras zu sitzen. Ich gehe über einen kleinen Steg zu einem wunderschönen Rastplatz mit Tisch, Bank und einem Brunnen. Hier fülle ich gleich meine Wasserflaschen und verkürze meine Hose, denn es wird deutlich wärmer.

 

Ich lasse ich mir das erste Pfeifchen schmecken. Nach einer guten halben Stunde geht es weiter, es folgen leichte bis steilere An- und Abstiege über Felder und durch Wald.

An einem Weiher mit Grillplatz treffe ich auf einen Radler und wir unterhalten uns lange. Er hatte vor kurzem fast ein Burn-Out-Syndrom und ich rate ihm, auf die Warnzeichen seines Körpers zu hören, ich habe da eigene Erfahrungen.

Nach dieser - eigentlich nicht geplanten - Pause, die aber gut tat, nähere ich mich nachmittags Langenburg. Meine Unterkunft ist nicht in der Stadt, sondern etwas außerhalb. Als ich einen Einwohner frage, wo der entsprechende Ortsteil ist, zeigt er ins Tal mit der Bemerkung, es sei nicht mehr so weit.

 

Erst mal gehe ich durch ein schönes Tor in die Stadt und lande gleich beim "Vesper Stüble". Mein Magen knurrt nämlich. Ich lasse mir Maultaschen und ein großes Radler schmecken.


Meine Unterkunft
Meine Unterkunft

Der Rest des Tages vergeht mit Duschen, Lesen und Unterhaltung mit meiner Zimmerwirtin. Heute waren es 21 km, die ich, es ist ja erst der zweite Tag meiner Wanderung, ganz schön in den Knochen spüre. Ich nehme mir vor, morgen früh nicht erst nach Langenburg wieder hoch zu steigen sondern unten am Fluss um die Stadt herum zu laufen.

 

3. Etappe Langenburg - Schwäbisch Hall (ca. 25 km)

Heute morgen wache ich - gut erholt - auf. Frau Etzel serviert mir ein tolles Frühstück, draußen ist es neblig im Tal, es wird wieder ein schöner Spätsommertag. Meine Wirtin macht ein Foto von meinem Start.

Ich gehe los. Im Tal noch immer Nebel. Runter zur alten Jagst-Brücke und dann rechts weg unten um Langenburg herum. In Bächlingen überquere ich den Fluss auf der rekonstruierten Archen-Brücke. Danach geht es sehr steil und sehr lange aufwärts. In Nesselbach komme ich oben an und gönne mir eine Verschnaufpause. Es ist schon recht warm und ich bin, wie alle Tage, durchgeschwitzt, was auch den ganzen Tag über so bleibt. ( Ich habe bei der gesamten Wanderung so ca. 2 kg verloren.)

Oben geht es bei leicht welligem Gelände in praller Sonne weiter. Irgendwann führt die Strecke wieder durch Wald, endlich wieder Schatten ! und ich steige hinab nach Braunsbach. Beim Abstieg habe ich einen schönen Blick auf das Kocher-Tal mit der gigantischen Autobahnbrücke im Hintergrund.

Es geht steil in den Ort hinunter. Hier will ich mir eine längere Mittagspause gönnen. Die Pizzeria ist geschlossen, der daneben liegende Gasthof ebenfalls. Gegenüber ist eine Bäckerei, davor zwei Frauen. Eine ruft mir etwas zu, was ich aber nicht verstehe ("In Baden-Württemberg können wir alles, nur nicht hochdeutsch.") Sie meint wohl, wenn ich noch etwas einkaufen will, soll ich mich beeilen, es wird gleich geschlossen. Ich hole mir zwei Laugenstangen, 2 Äpfel und 2 Bananen, mein Mittag.

 

Gegenüber am Brunnen strecke ich dann die Beine von mir, die Füße müssen sich erholen. Aus dem Pilgerführer weiß ich, dass bis Schwäbisch Hall, meinem heutigen Ziel, noch 13 km sind, also mindestens noch 4 Stunden mit Pausen. Ich muss durch das Kochertal bis hinter die Autobahnbrücke und dann abbiegen.


Es zieht sich wieder mal mächtig. In Braunsbach fülle ich an einer Autowaschanlage meine Wasserflaschen auf, ich merke, wie wichtig es ist, genügend zu trinken. Pro Tag nehme ich ca. 3 ltr. Wasser zu mir. Auf dem Fuß-/Radweg neben der Straße geht es weiter. Dann biege ich bei Geislingen ab, kurze Pause. Dahinter ein sehr steiler Anstieg, später mäßig ansteigend aber lang. Als ich endlich oben aus dem Wald komme, ist wieder Pause angesagt. Ich komme durch Eltershofen mit dem wunderschönen Schloss, im Ort am Brunnen wieder Wasser fassen. Der eigentliche Jakobsweg würde weiter gehen in einem Bogen auf Schwäbisch Hall zu. Ich kürze ab und laufe über Weckrieden zur Stadt hinunter. Dummerweise gehe ich erst an der Jugendherberge vorbei bis fast in die Altstadt. Muss umkehren und - bergan - zur Jugendherberge zurück. Um 18.00 Uhr komme ich endlich an. Ich bin ziemlich fertig.

 

4. Etappe Schwäbisch Hall - Murrhardt (28 km)

Gestern hatte mich - mitten im Wald - meine Frau angerufen. Das von mir vorbestellte Quartier im Heu-Hotel Murrhardt steht nicht mehr zur Verfügung, obwohl ich sogar eine schriftliche Buchungsbestätigung erhalten hatte. Sie besorgt mir ein Privatzimmer in Murrhardt.

Das bedeutet für mich, da ich eigentlich um Murrhardt herum ein wenig abkürzen wollte, doch in die Stadt zu laufen, eine sehr lange Etappe liegt also vor mir. Nun, ich bin zwar einigermaßen sauer über die Absage, aber ich habe gut geschlafen, ebenso gut gefrühstückt und gehe es an. Zunächst runter in die Altstadt. Die Stadtkirche St. Michael ist geschlossen. Sie liegt auf einem Berg und hat eine große Freitreppe hinunter zum Marktplatz. Von dort oben habe ich einen schönen Blick über den Marktplatz, wo gerade Wochenmarkt ist.

Durch die wunderschöne Altstadt geht es über die Kocher-Brücke langsam hinaus in Richtung Bahnhof und in die Landschaft. Auf der Kocher-Brücke dieser wunderschöne Anblick:

Am Bahnhof fahre ich mit dem Aufzug hinauf, überquere auf einem Steg die Gleise und habe dann gleich die erste Steigung zu bewältigen - über Treppen hinauf auf das Steilufer des Kocher. Es zieht sich eine Weile durch die Stadtrandgebiete. Zwischen den Bäumen hindurch schöne Blicke auf die Altstadt.

Im Wald geht es dann wieder nach Tullau hinunter, erneut in das Tal des Kocher. Durch das kleine Dorf und das Schloss hindurch und hinter dem Ort gleich wieder mäßig aber lange bergauf. Als ich gerade denke:"Jetzt eine Bank!" steht da oben auch eine und die erste Morgenpfeife ist fällig.

 

Schöner Blick auf das Kochertal, in dem noch Morgennebel wabert. Langsam wandere ich auf Uttenhofen zu, mache einen ungewollten kleinen Schlenker, finde aber die Muschel wieder und komme auf die kleine Kapelle St. Sigismund zu, bei der es sich eigentlich um den Rest (den Chor) einer ehemaligen Kirche handelt. Es ist jetzt eine Gedenkstätte für ??

Gegenüber ist eine größere Bäckerei. Ich hole mir 2 Stück Flammkuchen und als ich die Frage, ob ich auf dem Jakobsweg pilgere, bejahe, gibt's "vom Chef" eine Brezel extra. Na, das ist doch mal nett. Aus Uttenhofen raus durch die Felder nach Rieden, dem nächsten Dorf. Dort ist die Marienkirche geöffnet, wo ich ein paar Minuten die Ruhe und Kühle genieße. Das Dorf selbst liegt im Tal, was bedeutet, dass es dahinter wieder bergan geht, eine recht lange, wenn auch mäßige Steigung. Oben ein Grill-und Rastplatz, Mittagspause.

Aber dann kommt's: Ein super steiler schmaler Waldpfad fordert, dann geht es einfacher weiter und ich bin jetzt für die nächsten 2 Stunden im Wald unterwegs. Herrlich kühl und schattig, nur Ruhe und meine Schritte. Schön !

In dem kleinen Dorf Obermühle sehe ich durch eine geöffnete Haustür eine ältere Frau mit ihrem Enkel. Gern lässt sie mich meine Wasserflaschen füllen. Derweil beschäftige ich mit dem kleinen Lucca, 2 1/2 Jahre alt, der unbedingt meinen Rucksack anmalen will. Ich erlaube ihm dann, zwei Seiten meines Tagebuches voll zu kritzeln, damit ist er auch zufrieden.

Ab hier sind es noch mal 9,5 km, die wieder meine Reserven fordern, man ahnt es schon, es geht wieder mal bergauf. Kurz vor Murrhardt strecke ich mich noch einmal auf einer Wiese lang aus, um die letzten 2 km zu schaffen.

Gegen 17,00 Uhr komme ich in der Stadt an. Gönne mir erst mal einen Rieseneisbecher und einen Becher Kaffee. Dann geht's zum Quartier. Frau Sträb empfängt mich herzlich, eine tolle Frau: 76 Jahre und fit wie ein Turnschuh. Sie erzählt mir, dass sie vor 2 Jahren, also mit 74 !, die Zugspitze bestiegen hat, zwar in Begleitung einer Bergführerin, aber alle Achtung !

 

5. Etappe Murrhardt - Unterweissach (19 km)

Morgens Verabschiedung, nach kurzer Plauderei und einem guten Frühstück und ich breche - wieder bei herrlichem Wetter - langsam auf. Über den Marktplatz mit dem wunderschönen Rathaus

dauert es eine halbe Stunde, bis ich die Stadt hinter mir gelassen habe. Die eigentliche Etappe laut Pilgerführer würde heute bis Winnenden gehen und 31 km lang sein. Das will ich mir nicht antun und habe sie deshalb unterteilt, so dass heute "nur" 19 km vor mir liegen, quasi ein Klacks. Inzwischen habe ich auch gelernt, morgens nicht so schnell los zu marschieren sondern lieber einen gemächlichen gleichmäßigen Schritt an den Tag zu legen, so verteilen sich die Kräfte besser über den Tag und ich bin nicht schon mittags kaputt.

Es geht lange durch einen Wald. Am Ende des Waldes, kurz bevor ich das Wandererheim "Eschelhof" erreiche, steht ein schöner Pilgerstein an einem Rastplatz.

Hier ist wieder die Muschel angebracht und Steine mit sehr privaten Sprüchen von Pilgern abgelegt, wie es auch auf dem spanischen Jakobsweg am "Cruz de Ferro" gemacht wird.

Dann geht es stetig abwärts, wieder durch Wald, zum Schluss über eine Wiese auf Oppenweiler zu. Es ist jetzt Mittag. Da der linke Fußballen zu brennen beginnt (Blase?) gehe ich in die Apotheke, wo mir freundlicherweise ein Blasenpflaster aufgeklebt wird. Mittagspause im Schlosspark.


Nach einer halben Stunde gehe ich weiter, zunächst keine großen Auf- und Abstiege, erst später, hinter dem Ort Steinbach, geht es wieder hoch. Oben angekommen - 2 Bänke, wie für mich gemacht.

Als ich meinen Rucksack abnehme, schnuppert plötzlich ein hübscher Jagdhund an mir herum, ganz zutraulich. Frauchen kommt kurz danach hinterher. Wir unterhalten uns eine Weile über Hunde. "Lotti" ist 3 Jahre alt und aus dem Tierheim.

Danach die letzten 4 Kilometer: Erst runter über eine Wiese, dann noch mal ! eine heftige Steigung und dann bin ich gegen 15.00 Uhr in der Missionsschule Unterweissach, wo ich ein schönes Zimmer bekomme.

Abends werde ich von einem Wohnmobil-Freund aus dem Wohnmobilforum abgeholt. Er wohnt in der Nähe und hatte mich, als er im Forum von meinen Pilgerplänen erfuhr, spontan zum Abendessen eingeladen. Wir fahren in eine Besen-Wirtschaft und lassen es uns gut gehen. Volker, an dieser Stelle auch noch mal herzlichen Dank dafür.

 

6. Etappe Unterweissach - Breuningsweiler (Winnenden) (12 km)

Um 08.15 Uhr starte ich, in der Missionsschule durfte ich mir noch ein Lunchpaket machen und mitnehmen. Das Wetter: bedeckt und mäßig warm. Aus Unterweissach hinaus, natürlich gleich bergan, durch Obstbaumwiesen gemütlich auf Allmersbach im Tal zu.


Das Muschelzeichen ist ein verlässlicher Wegbegleiter, allerdings stutze ich bei dem Zeichen im Ort. Gott sei Dank führt es am Friedhof vorbei, noch mal Glück gehabt.

Es geht am Stöckenhof vorbei abwärts auf Bürg zu. Dort steht die Burg "Alt-Winnenden". Darum herum geht es auf steiler Treppe zu einer Landstraße, die ich überquere und dann weiter in den Ort Höfen wandere. Da mein heutiges Quartier außerhalb von Winnenden liegt, im Ortsteil Breuningsweiler, kürze ich hier wieder ab. Ich laufe praktisch jetzt "frei Schnauze".

Bei einem Reiterhof frage ich nach dem weiteren Weg. Mit der Bemerkung "es ist nicht mehr weit" (das höre ich übrigens öfter) muss ich noch mal einen beachtlichen Hügel bezwingen, ehe ich im Gasthof Käfer ankomme.

Inzwischen hatte es zu regnen angefangen, und zwar so stark, dass ich mich verkleiden musste. Aufgrund der kurzen Etappe bin ich am frühen Nachmittag dort, lasse mir ein Mittagessen und anschließend Kaffee und Kuchen schmecken. Unter dem linken Fußballen hat sich jetzt - trotz Blasenpflaster - eine größere Blase gebildet, es hat schon den ganzen Tag beim Gehen geschmerzt. Also Fuß versorgen, denn morgen soll es weitergehen.

 

7. Etappe Breuningsweiler - Esslingen (ca. 16 km)

Praktisch die ganze Nacht hat es geregnet, morgens sieht es nicht besser aus. Deshalb lohnt es sich auch nicht, bei diesem Sauwetter zu fotografieren. Bereits um 07.00 Uhr kann ich frühstücken. Dann verkleiden und um 08.00 Uhr steige ich durch die Weinberge hinab.

An Hanweiler vorbei geht es gleichmäßig voran, und es regnet und regnet. Nur nicht entmutigen lassen, immer weiter gehen ! Durch Endersbach, wo sich der Jakobsweg teilt, wähle ich die Variante nach Stetten. Laut Höhenprofil des Pilgerführers geht's danach noch mal steigungstechnisch richtig zur Sache, nämlich beim Überqueren des "Schurwaldes".

Mein linker Fuß macht Probleme, nicht nur die Blase unter dem Ballen, auch zwischen zwei Zehen hat sich eine gebildet. Warum das so ist, ist mir eigentlich schleierhaft. Die Schuhe sind gut eingelaufen und passen auch, rechts habe ich überhaupt keine Probleme.

Nach dem langen Marsch muss ich pausieren. Gott sei Dank komme ich am Tennisclub von Stetten vorbei, auf der Terrasse des Vereinsheims kann ich mich unter einem Dach ausruhen, Tisch und Stühle stehen dort.

Im erwähnten "Schurwald" ein Naturpfad, bestehend aus Schlamm, Steinen und Baumwurzeln, wird es noch einmal richtig heftig.  Ich muss den zweiten Stock für die Steigung zur Hilfe nehmen. Nach ca. 2 Stunden bin ich endlich oben.

Es regnet weiter unaufhörlich und sehr stark. Inzwischen bin ich innen und außen nass. Meine Moral sinkt. Als ich am Vereinsheim einer Kleingartenanlage vorbei komme, mache ich Pause und nehme ein Mittagessen zu mir. Bis Stetten sind es noch ca. 5 km, die ich einfach nicht mehr laufen mag.

Dazu rufe ich mir - ich gestehe - ein Taxi und lasse mich in die Stadt zu meiner Unterkunft kutschieren. Es reicht für heute !

 

8. Etappe Esslingen - Neckartailfingen (23 km)

Der Regen hat aufgehört, es ist aber merklich kühler geworden. Um 07.30 Uhr bin ich unterwegs und gehe ca. eine halbe Stunde in die schöne Altstadt von Esslingen. Es ist Sonntag, kaum Menschen unterwegs. In einem Café beim Marktplatz nehme ich ein kleines Frühstück zu mir, in der Pension gab es nichts. So gestärkt schaue ich mich ein wenig in der Stadt um.


Da in der Frauenkirche die Orgel spielt, probiere ich: Sie ist offen. So starte ich meinen heutigen Weg gleich morgens mit ein wenig stiller Einkehr.

Inzwischen ist sogar die Sonne da, nach dem gestrigen Regentag eine Wohltat. Meine Kleidung ist über Nacht auch trocken geworden, der Pensionswirt, der partout die Heizung nicht anstellen wollte, brachte mir dann doch immerhin einen Heizlüfter, so dass ich alles trocknen konnte.

Langsam geht es durch die Fußgängerzone und der Bahnhofsunterführung ans Neckarufer. Durch den sehr schönen Merkelpark wandere ich stadtauswärts. Erste Jogger sind unterwegs, Leute führen ihren Hund aus - ich vermisse unsere Fellnasen in solchen Momenten.

Bei einem Blick auf einen kleinen angelegten Teich fällt mir dieser Reiher auf, er steht so unbeweglich, dass ich ihn zuerst für künstlich halte, er schaut aber wohl gebannt ins Wasser - Fische ?

Dann überquere ich den Neckar. Mir ist schon klar: Da ich mich mal wieder in einem Flusstal befinde, kann es jetzt nur wieder bergauf gehen und so ist meine morgendliche Kreislaufübung auch schon fällig. Es geht über Stufen sehr steil und lange am anderen Neckarufer hoch, durch die Ausläufer von Esslingen. Die Pulsbeschleunigung hat geklappt, ich bin auf Temperatur.

Langsam geht es nach Berkheim, auch dieser Ort zeichnet sich nicht gerade durch ebene oder flache Straßen aus. Hinter dem Ort geht es sehr schön durch Felder und Wiesen, über mir setzen die Düsenflugzeuge zur Landung auf dem Flughafen Stuttgart an.

Ich komme nach Denkendorf. Im Ort frage ich, wo es zum Kloster geht, eine Frau will mir den Weg erklären, als ich auf der anderen Straßenseite "mein" Muschelzeichen sehe. Ich bedanke mich und erkläre ihr, dass ich mich nach der Muschel richte, da ich auf dem Jakobsweg bin. Im Ort steil runter und dann sehe ich auch schon das Kloster Denkendorf.

Im Klosterhof ist eine größere Pause fällig. Dort hat das örtliche DRK eine Ausstellung mit Fahrzeugen, Zelten und - einer Feldküche ! Super, ich kann dort ein kleines Mittagessen zu mir nehmen.

Da ich schon mal von Sanitätern umzingelt bin, frage ich, ob sich jemand mal meine Blasen am Fuß ansehen kann. Kein Problem. Allerdings ist Stefanie - die wohl für solche Fälle zuständig ist - noch in der Kirche im Gottesdienst.

Als dieser zu Ende ist, warte ich, aber keine Stefanie kommt. Ich gehe in die Kirche, werde gleich von einer jungen Frau angesprochen, als Pilger könne ich umsonst etwas zu essen bekommen - danke, habe ich schon - und dann steige ich in die Krypta der Kirche hinunter. Hier ist eine Nachbildung des heiligen Grabes Christi in Jerusalem. Es war über Jahrhunderte ein Ersatzwallfahrtort für eine Pilgerfahrt zur Grabeskirche in Jerusalem. Hier unten ist es ganz still und mystisch dunkel.

Als ich aus der Kirche komme, meldet sich Stefanie bei mir. Sie verarztet meinen Fuß, eine Spende für die Kaffeekasse wird zunächst abgelehnt, dann aber doch angenommen.

So versorgt marschiere ich weiter. Es geht über längere Strecken durch Wald, an einem Reiterhof vorbei in Richtung Hardt. Kurz vorher, an einem Biohof, ein verspielter Schäferhund-/Collie-Mischling, der jeden Spaziergänger auffordert, mit ihm zu spielen.


Trotz der Behandlung der Blase merke ich sie schon wieder, es schmerzt, auch, weil der Weg oftmals asphaltiert ist und dementsprechend hart, was sowieso auf die Fußsohlen geht. Vor mir ahne ich schon das Neckartal, ich schätze, bis Neckartailfingen sind es ca. 4 km, dann wohl noch mal außerhalb zum Quartier ca. 2-3 km.

Ich kürze ein wenig ab, indem ich bei der ersten Möglichkeit von der Höhe nach Neckartailfingen hinunter gehe, ich muss dazu nicht erst in die Stadt. Unten angekommen, gehe ich direkt an einem Café vorbei, jetzt ist erst mal lecker Kuchen und ein Becher Kaffee fällig. So gestärkt stapfe ich über die Neckarbrücke zu meiner Unterkunft, ein privates Zimmer in der "Casa del Neckartal". Sie liegt zwar ganz am Ortsrand, aber sehr schön ruhig. Frau Böttcher empfängt mich nett. Sie ist Motorradfahrerin und so haben wir gleich ein Thema, mein altes Bikerherz schlägt.

Abends hänge ich im Zimmer rum, nach der Dusche im Garten noch ein Pfeifchen rauchen, ein bisschen Fernsehen und früh in die Falle.

 

9. Etappe Neckartailfingen - Tübingen (ca. 28 km)

Heute steht mir schon von der Kilometerzahl her eine sehr lange Etappe bevor. Also früh aufstehen. Frühstücken kann ich in der Stadt, Frau Böttcher ist so nett und fährt mich ins Zentrum, direkt zu einem Café.

Es ist 08.00 Uhr, als ich mein großes Schinkenbrötchen und den heißen Kaffee zu mir genommen habe und langsam losgehe. Mein erstes Ziel ist die Martinskirche mit ihrem schiefen Turm. Es handelt sich um einen romanischen Bau. Die Kirche ist geöffnet und so starte ich auch heute wieder mit einer kleinen Ruhe. Ich trage mich ins Pilgerbuch ein und nehme mir in der Kirche selbst den Pilgerstempel für mein Tagebuch.


Gleich danach geht es aus dem Ort hoch in die Obstbaumwiesen. Es ist noch reichlich frisch und der Nebel hat sich auch noch nicht gelichtet, ich merke aber, dass die Sonne schon kämpft und wohl auch gewinnen wird.

Es ist angenehm zu laufen, eine herrliche Ruhe in dieser schönen Morgenstimmung. Durch Schlaitdorf hindurch, dann ein kurzes Stück an einer Straße und in einen Wald. Dahinter verpasse ich fast den kleinen Wiesenpfad nach rechts runter in Richtung Altenriet, im letzten Moment sehe ich das Muschelzeichen. In Altenriet kurzes Morgenpäuschen, im Ort steil hoch und nach 20 Minuten wieder hinaus. Der folgende Weg ist eben, hinter dem Ortsende hat man diesen wunderschönen Blick hinüber zur Schwäbischen Alb, die Sonne hat jetzt gewonnen.

Eine ganze Weile geht es so bequem weiter. An dem Dörfchen Dörnach vorbei und dann wieder steil hinauf in den Wald. So geht es weiter nach Pliezhausen, dort eine lange ebene Strecke durch Wiesen und Felder. Ein kurzes Stück im Wald wieder runter nach Rübgarten.

An der Bushaltestelle könnte man rasten, der Pilgerführer verspricht aber im Ort einen schöneren Platz. Dazu muss ich wieder klettern, denn die Hauptstraße steigt wieder steil bergan. Oben dann der angekündigte Platz, mit Überdachung und Brunnen, das Wasser ist leider nicht trinkbar, aber ich habe noch genügend in den Flaschen. Hier ist nun das Käsebrötchen dran, das ich mir heute morgen aus dem Café mitgenommen habe.

Ich gehe noch ein wenig talwärts und finde in der Mittagssonne eine Bank, wo ich eine längere Pause einlege. Ich habe jetzt noch nicht mal ganz die Hälfte der Tagesetappe hinter mir, so dass Kräfte sammeln angesagt ist.

Hier werde ich von einem Pärchen angesprochen, ob ich nach Santiago will. Ich kläre sie über meine Wanderung auf.

Das nächste Zwischenziel ist das Dorf Einsiedel. Von hier ab werde ich wieder mal abkürzen, denn wenn ich den vorgeschlagenen Weg über Bebenhausen nach Tübingen gehen würde, wären es insgesamt über 30 km, das tue ich mir nicht an. Noch ca. 16,5 km, selbst wenn ich abkürze.

Auf dem weiteren Weg komme ich an einer Scheune vorbei, an der der Bauer ein riesiges Muschelsymbol aus Brettern angebracht hat, eine nette Geste für Pilger, allerdings zeigt die Muschel in die falsche Richtung.

Da ich ins Tal hinein gehe, muss ich logischerweise drüben wieder rauf. Aber inzwischen habe mich fast an das Auf und Ab gewöhnt, es bleibt zwar anstrengend, ist aber zu bewältigen. Die schöne Landschaft, die Obstbaumwiesen, Richtung Süden immer von der Schwäbischen Alb begleitet, entschädigen für die Anstrengungen.

Durch ein weiteres Waldstück und über einen Feldweg komme ich nach Einsiedel. Hier muss ich Richtung Süden abbiegen. Ich hatte mir das vorher im Internet angesehen, finde hier aber überhaupt keine Straßenbezeichnungen, das Dorf besteht eh nur aus dem Schloss und 3-5 Häusern. Also gehe ich auf Verdacht einen Wiesenweg Richtung Sonne (=Süden), das müsste stimmen. Im Ort war der beschilderte Jakobsweg nach rechts, Richtung Bebenhausen, ausgewiesen.

Etwas unsicher trabe ich vor mich hin. Der Weg endet an einem Stauwasserbecken. Hinter mir kommt ein Pärchen, das sich in der Gegend auskennt und mir den Weg zum Neckartal erklärt. Ich gehe lange eine asphaltierte Landstraße durch Wald hinunter, die Sohlen brennen schon wieder mächtig. Unten angekommen verläuft unüberhörbar die B 27, die nach Tübingen führt.

Ohne jemanden zu treffen, den ich fragen könnte, wende ich mich nach Westen, als Orientierung dient lediglich die Sonne. So zieht es sich hin, bis ich irgendwie direkt an den Neckar komme. Wenn ich ihm folge, muss ich nach Tübingen kommen. An einem Stauwehr noch mal eine Pause und dann der Zieleinlauf. Dieser zieht sich aber noch mächtig hin. Ich komme an der Tübinger Kläranlage vorbei und in die Randgebiete der Stadt. Endlich - die "Gartenstraße" ! Die Jugendherberge hat die Hausnummer 22, jetzt bin ich gerade mal bei Nummer 380. Was das bedeutet ist klar: Laufen ohne Ende. Als ich schon nicht mehr mag, frage ich einen Mann nach der Jugendherberge, er sagt: "Noch 300 m." Und dann bin ich endlich da, es ist jetzt, trotz der langen Etappe, erst 15.15 Uhr, ich muss also auf den ebenen Wegabschnitten ordentlich Tempo gemacht haben.

Ich beziehe mein Einzelzimmer und strecke erst mal die Beine. Hunger meldet sich, der Körper hat ja auch ordentlich Kalorien verbrannt. Duschen und umziehen. Abendbrot gibt es heute hier nicht, der Weg in die Altstadt soll 15 Minuten dauern. Das stellt sich als richtig heraus. In der wunderschönen Altstadt genehmige ich mir beim Italiener Spaghetti Bolognese und 1 Glas Roten. Der weitere Abend vergeht mit Gammeln, Lesen und Tagebuch schreiben. Um 21.00 Uhr bin ich im Bett.

 

 

10. und letzte Etappe Tübingen - Rottenburg/Neckar (12 km)

Die Schlussetappe ist ein Klacks. Ich kann mir also Zeit lassen und dieses "lächerliche" Stück Weg in Ruhe abspulen. Zunächst schaue ich mir morgens, nach dem guten Frühstück in der Jugendherberge, die Tübinger Altstadt an. Sehr schöne alte Bauten, eine schöne Fußgängerzone und ein noch schönerer Marktplatz.

Ich steige hoch zum Schloss. Durch den Innenhof gelangt man durch einen schmalen niedrigen Durchgang zum "Schänzle" und aus der Schlossanlage hinaus. Durch die Randgebiete von Tübingen, jetzt schon wieder weit oberhalb des Neckartales, geht es über längere Zeit durch ein Waldstück. Endlich mal wieder ein recht langes Stück relativ eben unterwegs. Ich weiß aber, dass es noch mal steil hoch geht, nämlich zur "Wurmlinger Kapelle", die ich auf keinen Fall auslassen will.

Am Ende des Waldes habe ich einen wunderschönen Blick nach Süden auf die Burg Hohenzollern, nach Westen auf die Kapelle.

Ich steige die Stufen zur Kapelle hinauf. Oben ist eine Wandergruppe, die mich über meine Wanderung ausfragt. Man will alle Einzelheiten wissen, wie lang der gegangene Weg war, wieviel Kilo Gepäck ich im Rucksack habe usw.

Nach der angenehmen Pause steige ich über den Kreuzweg hinunter nach Wurmlingen. Es ist jetzt Mittag, ich könnte etwas zu essen gebrauchen, will aber noch bis Rottenburg durchgehen. Kurz vor Rottenburg hat wohl ein Wanderer oder Pilger seinen verschlissenen Wanderstiefel entsorgt. Ein schönes Wegzeichen.

Eine gute Stunde nach meiner Pause bei der Kapelle komme ich am Ortsrand von Rottenburg an. Hier endet nun meine Pilgerwanderung. Die nette Nachbarin der Familie Seeger lässt mich in mein Quartier, ein schönes 1-Zimmer-Appartement im Souterrain des Hauses. Seegers selbst sind noch nicht zu Hause.

Ich gehe nach dem Umziehen in die Stadt, es sind nur 20 Minuten, und genehmige mir eine große Pizza.

Es ist geschafft !

Nachmittags kommen Seegers nach Hause, begrüßen mich sehr nett und laden mich abends auf einen Wein ein. Wir plaudern angeregt übers Pilgern, ein netter Abend und eine schöne gastfreundliche Geste meiner Quartiersleute.

Am nächsten Morgen bringt mich Herr Seeger noch zum Bahnhof und ich trete die Rückfahrt nach Hause an.

 

Fazit:

Ich wusste nicht, als ich mich auf den Weg machte, wie es mir unterwegs ergehen würde: Ist die ungewohnte Anstrengung zu schaffen ? Treffe ich andere Pilger ? Wie wird die Begegnung mit anderen Menschen - und mit mir selbst - sein ?

Nun, wenn man gut zu Fuß ist, kann man am Tag, nachdem man es langsam angehen lässt, 20-25 km laufen. Das Gepäck im Rucksack spürt man irgendwann nicht mehr.

Andere Pilger habe ich auf dem Weg nicht getroffen. Es wäre nett gewesen, sich unterwegs auszutauschen oder ein Stück gemeinsam zu gehen, vermisst habe ich es aber nicht wirklich.

Andere Menschen, die ich unterwegs getroffen und mit denen ich mich unterhalten habe, waren sehr interessiert und aufgeschlossen.

Ich habe gespürt, dass so eine Pilgerwanderung auf die Grundbedürfnisse zurückführt:

Habe ich genug Wasser ? Wie geht es dem Körper, insbesondere den Füßen ? Habe ich eine Unterkunft ? Kann ich abschalten ?

Ich kann jedem, den es "juckt", einmal zu pilgern, dazu raten. Man kommt zu sich.